Anwenderbericht Liebherr-Verzahntechnik GmbH, Kempten
Anspruch an Qualität aufs Beste erfüllt
Autorin: Andrea Jäger (Text und Fotos)
Das Produktportfolio der Liebherr-Verzahntechnik GmbH mit Sitz in Kempten ist beeindruckend vielfältig. Es deckt Verzahnungstechnologien wie Wälzstoßen, Wälzfräsen, Wälzschälen, Wälz- und Profilschleifen, Anfasen und Entgraten zur Fertigung jeder Art von Verzahnungen ab. Die hochpräzisen Maschinen gehen in Branchen wie Aerospace, den Automobilbau und seine Zulieferer, in die Windkraft- und die Montanindustrie, aber auch in die Robotik oder die Medizintechnik. Für alle Branchen gilt: die Kunden haben enorm hohe Qualitätsanforderungen. Schleifbearbeitungen an Maschinenteilen werden deshalb unter anderem auf Rundschleifmaschinen des Schweizer Schleifmaschinenherstellers Kellenberger ausgeführt.
Tausende unterschiedliche Werkstücke enthält das Liebherr Baukastensystem, aus dem die Basismaschinenbaureihen mit Komponenten für die kundenspezifische Bearbeitung bestückt werden und dadurch jede Maschine quasi zur Sondermaschine machen. Und dabei kommt es durchaus vor, dass die Liebherr-Ingenieure für Bearbeitungsaufgaben der Kunden Lösungen entwickeln, die es am Markt bislang noch nicht gibt.
Das Schleifen ist die Königsdisziplin der spanabhebenden Bearbeitung, die Schleiferei bei Liebherr damit so etwas wie die Keimzelle der Höchstpräzision für Kernkomponenten. Seit 2013 ist dieser Fertigungsbereich in einer neuen klimatisierten Halle untergebracht, ein entscheidender Faktor für hohe Präzision in der Bearbeitung. Wie überall in der Produktion bei Liebherr sind in der Schleiferei nur spezialisierte Fachkräfte an den Maschinen. Gerd Eising, der Meister der Schleiferei, sein Kollege und Stellvertreter Jürgen Rimac und die zehn Mitarbeiter sorgen im Zweischichtbetrieb dafür, dass die hohen Ansprüche der Qualitätskontrolle erfüllt werden. „Genauigkeit dominiert bei Liebherr alles ganz entscheidend.“ bestätigt Gerd Eising. „Bei 3 µm wird die Qualitätskontrolle nervös, Formfehler und Messabweichungen über 3 µm bedeuten praktisch Ausschuss.“ Kein Wunder, dass man bereits bei der Maschinenbeschaffung genau hinschaut. Für die Bearbeitung von Rundteilen entschied man sich schon vor Jahren für Universal-Rundschleifmaschinen von Kellenberger.
1995 ging bei Liebherr die erste Kellenberger Rundschleifmaschine vom Typ KEL-Varia in Betrieb. Eine zweite Maschine mit einer Kelco 120er-Steuerung wurde 2010 beschafft und speziell für das Unrundschleifen eingesetzt. 2014 folgten zwei weitere KEL-Varia-Maschinen, eine davon als Ersatz für die erste, inzwischen ausgemusterte KEL-Varia. Die Teile, die auf den Maschinen geschliffen werden, sind zwischen 5 und 1.500 mm lang.
Die Universal-Rundschleifmaschine KEL-Varia ist das Vorgängermodell der heutigen Premium-Baureihe Kellenberger 1000 und steht wie diese für höchste Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Über 1500 Maschinen dieser Baureihe sind weltweit inzwischen im Einsatz. Ihren Erfolg verdankt die Maschine ihrer hohen statischen und dynamischen Steifigkeit und Stabilität, beides ausschlaggebende Faktoren für hohe Präzision und große Produktivität. Das Leistungsspektrum der Varia orientiert sich an den Qualitätsanforderungen der Präzisionsfertigung von Prototypen sowie Klein- und Mittelserien.
Die KEL-Varia-Maschinen sind mit Spitzenweiten 1.000/600 mm und Spitzenhöhe 200 mm und für Werkstückgewichte bis 150 kg konzipiert. Die Maschinen sind mit hydrostatischen Führungen in allen Hauptachsen für höchste Formgenauigkeiten bei Schleifaufgaben mit interpolierenden Achsen ausgestattet. Die B-Achse hat einen Direktantrieb. Der Revolver-Schleifkopf schwenkt damit etwa drei Mal schneller und positioniert mit einer Genauigkeit von weniger als einer Winkelsekunde. Besonders dann, wenn die Bearbeitung das Einschwenken verschiedener Schleifscheiben erfordert, senkt dies die Nebenzeiten und steigert damit die Produktivität.
Die Gründe für die Entscheidung für Kellenberger kann der gelernte Anwendungsschleifer und Programmierer Jürgen Rimac genau benennen: „Natürlich hatte auch der Wettbewerb gute Maschinen. Aber bei Kellenberger überzeugte uns eben nicht nur die Bearbeitungsqualität der Maschine, sondern auch die Zugänglichkeit zum gut strukturierten, aufgeräumten Arbeitsraum und vor allem die einfachere Programmierung, die normalerweise direkt an der Maschine von den Schleifern übernommen wird.“
Für Jürgen Rimac, Gerd Eising und Jörg Bachmeyer (von links) punktet die Kellenberger 100 durch die Automation mit Palettenlader
Auch für den gelernten Schleifer Jörg Bachmeyer hat die einfache Programmierung der Kellenberger-Maschinen klare Vorteile: „Toleranztechnisch wird es hier in der Schleiferei nicht langweilig. Gute Programme erleichtern die Arbeit immens.“ Die neueren KEL-Varia-Maschinen verfügen über die Programmierungsfeatures KEL-Soft und KEL-Assist, mit denen bestehende Programme leicht an veränderte Bearbeitungsanforderungen angepasst werden können. Unterschiedliche fertige Softwarelösungen sind im Standard enthalten oder können optional eingefügt werden. Sie decken die Bearbeitung einfacher Werkstücke ab, sind mit visualisierter Werkstückprogrammierung für komplexe Werkstücke in kürzester Bearbeitungszeit oder für das Erstellen von komplexen Konturen und Profilen konzipiert.
Automatisierte Kellenberger 100 für kleinere Teile
Auch der jüngste Neuzugang in der Schleiferei, die Universal-Rundschleifmaschine Kellenberger 100, verfügt über eine einfache Bedienerführung, die über eine intuitive Touchscreen-Oberfläche erfolgt. Die Maschinen sind ausgestattet mit der neuesten CNC-Steuerung Fanuc 31i mit 19″-Touch-Screen – wahlweise mit neu konzipierter Zyklenprogrammierung oder werkstückbezogener graphischer Programmierung. Das Plattformkonzept der Kellenberger 100 bündelt als modulare Lösung bewährte Maschinenkonzepte des Hardinge Konzerns, zu dem Kellenberger seit Jahrzehnten gehört. Vielfältigste Konfigurationsmöglichkeiten für die unterschiedlichsten Schleifoperationen sind möglich. Um die Nebenzeiten niedrig zu halten, erfolgt die Programmierung der Kellenberger 100 größtenteils extern. Jürgen Rimac programmiert Unrundkonturen sowie alle Konturen, die in Schleifscheiben abgerichtet werden müssen ebenfalls an einem externen Arbeitsplatz.
Kellenberger 100, automatisiert mit dem Wenger WeFlex Palettenlader. Verfahrwege der Maschine: Z-Achse: 1150 / 750 mm, X-Achse: 365 mm
Die Kellenberger 100 ist in den Spitzenweiten 1000/600 mm und Spitzenhöhe 200 mm verfügbar und für Werkstückgewichte bis 150 kg konzipiert. Die hohe Antriebsleistung der Schleifscheibe sorgt für erhöhte Produktivität, die neu entwickelte Z-Führung für große Profilgenauigkeit. Die C-Achse mit Direktantrieb bringt eine höhere Genauigkeit beim Unrundschleifen.
Technische Highlights der Kellenberger 100
Zu den technischen Highlights der Kellenberger 100 zählen ein innovativer Kompaktschleifkopf (10 Schleifkopfvarianten, 11,5 kW Antriebsleistung, 500 mm Scheibe, bis 63 m/s, HF-Spindeln für Innenschleifen inkl. Diagonal- und Tandem-Anordnung), ein kollisionsfreier Universalkopf mit drei Werkzeug- und einer Messposition sowie eine neue Messtaster-Anordnung ohne Schwenkmechanismus für erhöhte Messgenauigkeit. Ein Synchronreitstock erlaubt die Komplettbearbeitung von Wellen ohne Mitnehmer, das heißt das Werkstück kann über die ganze Länge komplett bearbeitet werden.
Bearbeitung einer Tischteilschnecke für eine Liebherr BK2-Maschine zwischen Spitzen.
Maßgeschneiderte Paletten-Automation
Automatisierung ist ein großes Thema in der Schleiferei, denn von den zwei Schichten wird mindestens eine halbe Schicht mannlos betrieben. Die Flexibilität der Kellenberger 100 durch die Automatisierungslösung WeFlex, die der Schweizer Automationsspezialist Wenger speziell an diese Maschine angepasst hat, kommt diesem Anspruch entgegen und spielte für die Kaufentscheidung eine entscheidende. Der Lader für Futter- und Wellenteile mit eigener Programmierung fasst 40 bis mehrere hundert Teile. Die Losgrößen gehen in der Schleiferei von Stückzahl 1 bis 100, in seltenen Fällen auch einmal bis 200 Stück. „Ab 5 Stück lohnt es sich bereits, über den Lader zu gehen.“ sagt Jörg Bachmeyer. „Auch Exzenterbolzen beladen wir über den Lader.“
Ein Greifer holt das fertige Werkstück aus dem Maschinenraum (Bild oben),
transportiert es zurück in den Lader und legt es in der Palette ab (Bild unten).
Der WeFlex Lader ermöglicht die automatisierte Bearbeitung von Wellenteilen Ø 6 – 100 mm, L = 20-600 mm, max. Greifdurchmesser = 80 mm und Futterteilen Ø 4-100 mm, L = 15-100 mm, max. Greifdurchmesser = 80 mm mit Werkstückgewichten von max. 5 kg im Wechselbetrieb, max. 15 kg im Einzelteilbetrieb. Wechselbare Greiferköpfe erleichtern das Schnellumrüsten zwischen Wellen- und Futterteilen.
Im Stapelmodul stehen 8 Palettenplätze der Größe 400 x 600 mm zur Verfügung. In den Palettenrahmen können Einsätze für Wellen- oder Futterteile eingesetzt werden. Die Beladung der Maschine erfolgt über ein Teleskop-Linienportal. Eine automatische Luke schließt den Maschinenraum während der Bearbeitung ab, um die thermische Stabilität der Maschine zu gewährleisten. Direkt bei der Einspeisung werden Strom und Druckluft erfasst, womit der Energieverbrauch des WeFlex aufgezeichnet und visualisiert wird. Um den Energieverbrauch zu reduzieren, wird die Geschwindigkeit des WeFlex automatisch der Taktzeit der Bearbeitungsmaschine anpasst. Ein bildgeführter Einrichtassistent unterstützt den Bediener beim Umrüsten auf ein neues Werkstück.
Auf die Frage, warum Kellenberger immer wieder den Zuschlag erhält, antwortet Gerd Eising: “Das ist kein Automatismus. Wenn eine Maschine beschafft werden soll, werden immer alle in Frage kommenden Maschinenhersteller einbezogen. Die Maschine mit der geeignetsten Technologie und dem besten Preis-/Leistungsverhältnis erhält dann den Zuschlag. In Kellenberger haben wir einen kompetenten Ansprechpartner in allen technischen und Servicefragen. Der After-Sales-Service für die Kellenberger Schleifmaschinen kommt aus der Schweiz und die Produktionsstätte liegt praktisch um die Ecke.“ Gut möglich also, dass auch die nächste Schleifmaschine eine Kellenberger ist.